Voraussetzungen für ein privilegiertes land- oder forstwirtschaftliches Bauvorhaben
"Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt". (Zitat aus §35 BauGB)
Öffentliche Belange können laut BauGB beispielsweise entgegenstehen, wenn das Bauvorhaben
- den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder den Darstellungen eines Landschaftsplans widerspricht,
- die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, den Erholungswert oder das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt,
- zur Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung beiträgt.
Ist eine Bebauung zulässig, gilt der Grundsatz, den Außenbereich größtmöglich zu schonen. So schreibt §35 BauGB vor, dass die Vorhaben "in einem flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden, und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen" sind.
Was versteht das BauGB unter Landwirtschaft?
"Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuches ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei" (§201 BauGB).
Was versteht das BauGB unter einem Betrieb?
Die Bejahung der Betriebseigenschaft erfordert eine nachhaltige, ernsthafte und betriebswirtschaftlich sinnvolle landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder gartenbauliche Tätigkeit durch einen sachkundigen Leiter. Auch im Nebenerwerb muss ein spürbarer Nutzen vorliegen.
Laut der gemeinsamen Bekanntmachung "Bauen im Rahmen land-und forstwirtschaftlicher Betriebe" des Bayerischen Innenministeriums und des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums vom 20.12.2016 (GemBek) können landwirtschaftliche Tätigkeiten auch ausgeführt werden, wenn kein landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Baugesetzbuches vorliegt.
"Eine land- und forstwirtschaftliche Betätigung, die bei objektiver Betrachtung auf Dauer keinen oder nur einen sehr geringen Gewinn abwirft, ist in aller Regel Freizeitbeschäftigung und Liebhaberei, begründet aber keinen Betrieb"
Die planmäßige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Bewirtschaftung ist die Basis für eine betriebswirtschaftlich sinnvolle und langfristig angelegte landwirtschaftliche Tätigkeit. Auch die Größe der Eigentumsflächen und das Vorhandensein langfristiger Pachtverträge sind wichtige Hinweise für die Nachhaltigkeit einer geplanten Investition. Die notwendige Sachkunde kann in erster Linie durch Ausbildung und berufliche Fortbildung aber auch durch langjährige Erfahrung erworben werden.
Was versteht man unter "mitgezogener Privilegierung"?
Landwirtschaftsnahe Betriebe (meist Gewerbebetriebe) können an der Privilegierung teilnehmen, wenn
- sie in einem funktionalen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb stehen (z.B. Urlaub auf dem Bauernhof, Verkaufsraum für die Direktvermarktung) und
- die geplante Maßnahme unmittelbar an der Hofstelle errichtet werden soll ("räumlich funktionaler Zusammenhang") und
- die geplante Maßnahme der Existenzsicherung des landwirtschaftlichen Betriebes dient und
- die bauliche Maßnahme äußerlich dem landwirtschaftlichen Betrieb untergeordnet ist. Die Prägung des gegendtypischen Hofbildes soll erhalten bleiben.
Was sind die Besonderheiten beim Betriebszweig "Urlaub auf dem Bauernhof"?
Im Landkreis Rosenheim wohl häufigste Form mitgezogener Privilegierung ist die Vermietung von Ferienzimmern und Ferienwohnungen, die - obwohl für sich betrachtet gewerblicher Art - an der Privilegierung teilnehmen kann, solange sie nicht damit ihrerseits den Betrieb prägt. Ferienwohnungen bedürfen einer rechtlichen Sicherung, die die Zuordnung zum Betrieb auf Dauer gewährleistet. Oftmals werden Ferienwohnungen in bestehende Räumlichkeiten eingebaut. Im Genehmigungsverfahren wird geprüft, ob dieser Betriebszweig zum landwirtschaftlichen Betrieb und zur Lage der Hofstelle passt und ob eine Wirtschaftlichkeit erwartet werden kann. Die Ausübung der Landwirtschaft darf durch die Schaffung von Ferienwohnungen nicht behindert werden und durch die Umnutzung vorhandener betrieblicher Räume darf kein neuer Bedarf an betrieblichen Räumen entstehen.
Die Schaffung von Ferienwohnungen durch Neubau sieht der Gesetzgeber problematisch, weil mit neuen Gebäuden der geforderte untergeordnete Charakter oftmals nicht mehr gewährleistet ist und weil damit die Gefahr einer Zersiedelung besteht. Dies wird regelmäßig bei einzelstehenden Ferienhäuschen der Fall sein.
Welcher betriebliche Wohnraum steht einem Landwirt zu?
Bei den meisten landwirtschaftlichen Betrieben ist ein Betriebsleiterhaus notwendig. Entscheidend ist, ob der Betrieb die ständige Anwesenheit des Leiters auf dem Betrieb erfordert. So ist bei Nebenerwerbsbetrieben mit Damtierhaltung, Fischzucht oder Imkerei ein Betriebsleiterhaus in der Regel nicht notwendig. Nach der gängigen Rechtsprechung zieht der Neubau eines Milchviehstalles - auch bei einer gewissen Entfernung zur Hofstelle - nicht automatisch das Recht auf den Neubau eines Betriebsleiterwohnhauses nach sich.
Wer darf eine Altenteilerwohnung bauen?
Zum herkömmlichen Bild eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes gehört, dass mehrere Generationen auf dem Hof leben, in gewissem Umfang im Betrieb mitarbeiten und damit zur reibungslosen Fortführung des auf Dauer angelegten Betriebes beitragen. Für die Austragler soll deshalb ein angemessener Wohnraum vorhanden sein. Für die Schaffung von Austragswohnraum muss ein konkreter Bedarf bestehen.
Auch bei Nebenerwerbsbetrieben können die Voraussetzungen für privilegierten Austragswohnraum gegeben sein, wenn die generationsübergreifende Mithilfe notwendig ist und auch ausgeübt wird. Hierfür muss der Nebenerwerbsbetrieb von der gleichen Arbeitsteilung der Generationen geprägt sein, wie ein herkömmlicher Vollerwerbsbetrieb. Dies ist in der Regel bei Milchviehbetrieben in unserer Region der Fall.
Wann ist eine Nutzungsänderung genehmigungsfähig?
Die Landwirtschaft unterliegt einem starken Wandel. Gebäude, die für den ursprünglichen privilegierten Zweck nicht mehr benötigt werden, können unter bestimmten Bedingungen in nichtlandwirtschaftliche Räume umgenutzt werden. Die äußere Gestalt des Gebäudes muss im Wesentlichen gewahrt bleiben. Das für die Umnutzung vorgesehene Gebäude muss mit der Hofstelle in einem räumlich funktionalen Zusammenhang stehen und zu einem früheren Zeitpunkt für privilegierte Zwecke genehmigt und genutzt worden sein.
Was sind verfahrensfreie Vorhaben?
Um den Bürokratieaufwand zu verringern, gibt es in der Bayerischen Bauordnung eine Reihe von verfahrensfreien Vorhaben. Dies bedeutet, dass für die Errichtung oder Änderung dieser Vorhaben kein Bauantrag gestellt werden muss. Zu den verfahrensfreien Bauvorhaben zählen u.a. auch kleine landwirtschaftliche Hallen bis zu 100 qm Grundfläche/140qm Dachfläche (Stadl, keine Ställe).
"Verfahrensfrei" heißt nicht "rechtsfrei"!
Das Baurecht muss auch hier eingehalten werden. In der Vergangenheit mussten immer wieder solche Vorhaben aufgrund von Anzeigen im Nachgang geprüft werden. Hierbei geht es u.a. um die Frage, ob ein Betrieb nach dem Baurecht vorliegt und ob noch Bedarf an Maschinen- und Bergeraum vorhanden ist. Verletzt der Bauherr Aspekte des Baurechts, muss er mit ordnungsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Beseitigung der baulichen Anlage rechnen.
Wer ist für die Genehmigung zuständig?
Zuständig für die Genehmigung von Bauvorhaben im Außenbereich ist das Landratsamt Rosenheim oder die kreisfreie Stadt Rosenheim. Diese prüfen, ob die Kriterien für eine Genehmigung erfüllt sind. Dazu werden von verschiedenen Fachstellen (z. B. UNB, AELF) Stellungnahmen eingeholt.
Warum sollte man vorab Kontakt mit den Behörden aufnehmen?
Bauvorhaben im Außenbereich unterliegen nicht den Vorgaben eines Bebauungsplanes. Das bedeutet, dass jeder einzelne Antrag von verschiedenen Behörden hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben von Grund auf geprüft werden muss (Abstandsflächen, Bauleitplanung, Immissionsschutz, Privilegierung, Denkmalschutz, Naturschutz…).
Es gilt allerdings zu beachten, dass mündliche Auskünfte in der Regel nur den Rahmen abstecken, aber keine rechtsverbindliche Prüfung ersetzen können. Mit einem Antrag auf Vorbescheid kann der Bauherr vor Einleitung des Baugenehmigungsverfahrens einzelne Fragen seines Bauvorhabens rechtsverbindlich klären lassen. Dabei geht es meist um grundsätzliche Fragen der Zulässigkeit dieses Vorhabens. Der Vorbescheid gilt i.d.R. drei Jahre. Die Frist kann jeweils um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn das der Bauherr vor Ablauf des Vorbescheides schriftlich beantragt.
Aus unserer Sicht ist die "Privilegierung" eine Ausnahmeregelung, die den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Landwirtschaft in unserer Region unterstützt. Es ist deshalb im Sinne der Landwirtschaft, wenn sorgsam mit diesem Sonderrecht umgegangen wird.
Dieser Artikel bezieht sich auf aktuelle baurechtliche Fragen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
AELF Rosenheim